abc-Etüde 43+44/2019 – Gelegenheit IV.

Die Schreibeinladung von Christiane für die Wochen 43+44/20199 beschert uns eine Wortspende von Ulli Gau aus ihrem Café Weltenall.

Eine vierte! Echt jetzt? Verzeiht, dass ich das Thema immer noch nicht ruhen lasse, es muss euch schon zum Hals raushängen. (Hier findet ihr Gelegenheit I, Gelegenheit II und Gelegenheit III)
Heute drücke ich auf die Tränendrüse, seid gewarnt!

Dazu wie immer der Etüden-Disclaimer: 3 Begriffe in maximal 300 Wörtern.

abc.etüden 2019 43+44 | 365tageasatzaday

Er saß hinter dem Steuer, sein Kollege neben ihm quasselte Unwichtiges. Bald würden sie wieder in der Firma sein. Irgendwann klinkte er sich aus und dachte zurück. Wie er mit ihr unterwegs gewesen war. Es war eine heikle Reklamationsgeschichte gewesen. Auf der Rückfahrt hatten sie gescherzt und über alle möglichen Themen geredet. Irgendwann hatte sie die Krähen bei ihrem Vogelflug beobachtet, wie sie sich Räuberbanden gleich zusammenrotteten, und beinahe gleichgültig erwähnt, sie rechnete nicht mit einem langen Leben, wenn sie so an die Lebenserwartung in der Familie dachte. Er hatte es als Gefühlsduselei abgetan. Eine Melancholie an grauen Novembertagen. Trotzdem erinnerte er sich an das ungute Gefühl. Und wie er abrupt und beinahe ängstlich das Thema gewechselt hatte.

Es hatte unglaublich geknistert zwischen ihnen, doch sie hatte nie einen Zweifel daran gelassen, wo ihr Herz hingehörte. Und auch er … ach, er war mittlerweile geschieden. Da war nie etwas außer diesem einen Kuss in der dunklen Garage. Jetzt wären sie beide endlich frei. Damals standen eine Ehe, ein Kind, ein verschuldetes Haus im Weg. Doch sie  war fort. Einmal hatte sie gesagt, wie sie es verabscheute, Dinge regelrecht prophetisch vorherzusehen. Wie hatte sie das wissen können?

Meine Seele wird sich in andere Sphären schwingen, hatte sie zuletzt tröstend geflüstert, bevor die Krankheit nach ihrem Geist griff. Seine Frau hatte bald darauf die Scheidung eingereicht. Sie wollte nicht länger mit einer jetzt Toten um seine Liebe konkurrieren. Die Liebe fragt nicht, wo sie hinfällt. Sie fragt nie.

Als er den Firmenwagen in die alte enge Garage parkte, sah er sie wieder hinter sich stehen. Wie damals. Er solle den Wagen doch draußen stehen lassen, meinte der neben ihm. Doch das ging nicht.  Weil … ja weil … da war einmal ein Kuss in einer dunklen Garage. Geheimnisvoll. Einmalig. Als sie seine Hand genommen hatte …

 

19 Gedanken zu “abc-Etüde 43+44/2019 – Gelegenheit IV.

  1. Mit einer Toten (oder Schwerstkranken) konkurrieren zu müssen, stelle ich mir auch sehr problematisch vor. Aber ich weiß nicht recht – wenn ich den Mann, der doch an der Situation am meisten leidet, wirklich lieben würde, könnte ich mir vorstellen, ihn gerade dann unterstützen zu wollen. I‘d be his substitute. De facto war ich anfangs so etwas für meinen Mann, nachdem seine erste Frau ihn psychisch am Boden zerstört zurückgelassen hatte. Auch die zweite Wahl kann eine gute Wahl sein.

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    • Wenn ich bei meinen Etüden eine Türe schließe, habe ich den Eindruck, dass sich mindestens eine weiter wieder öffnet. Und wenn ich denke, dass alles gut ausgegangen ist, dann gibt es immer irgendwo einen Makel.

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  2. Stimmt, die Liebe fragt nicht, sie denkt auch nicht!
    Mir hängt das Thema noch lange nicht zum Hals raus, ich finde es so spannend, wie du diesen Plot immer wieder neu auflegst und er neue Richtungen einschlägt, heute mit grosser Traurigkeit darin!
    herzliche Grüsse
    Ulli

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  3. Wie oft verpassen sich Zwei um Haaresbreite … Wie oft fügt sich etwas nicht, obwohl man es sich wünschte. Und doch können wir darauf vertrauen, dass sich alles fügt und rückblickend „wissen“ wir, warum Vergangenes sich nicht fügte. Ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Danke fürs Berühren. LIebe Grüße, Bernd

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