BUCHweltreise #5 – Irgendwo in der Provinz Englands?

Gut hat das alles geklungen. Der Titel. Der Klappentext. Und auch einige Seiten mittendrin. Das mache ich immer, wenn ich ein Buch aussuche. Einfach aufschlagen und reinlesen. Ist ja auch sehr verheißungsvoll, dieser Titel. Das große Glück finden wir viel zu selten, also wollen wir zumindest das kleine große Glück. Vielleicht davon ja dann mehr und öfters.

Lucy Dillon, Das kleine große Glück


Gina findet sich in einer neuen Wohnung wieder, umgeben von unzähligen Umzugskisten, die sich beinahe bis zur Decke türmen. Ihr Leben ist ein Trümmerhaufen und sie muss erst wieder Ordnung hineinbringen. Damit ihr das gelingt, will sie nur 100 Dinge aus ihrem alten Leben mitnehmen, die ihr wirklich wichtig sind. Der Rest muss weg.

Jedes Kapitel beginnt mit der Auflistung eines Gegenstandes, der Gina in weiterer Folge zurück in ihre Vergangenheit führt. So erfährt auch der Leser, was früher war und sie letztlich an diesen Punkt gebracht hat, an dem sie jetzt steht.

Gina ist noch nicht lange geschieden. Mit Stuart hat sie die schwierigen Jahre überstanden, als sie Krebs hatte. Und mit ihm hat sie sich den Traum von einem alten Haus erfüllt und es mit ihm gemeinsam renoviert. Danach war die Luft raus aus ihrer Ehe. Vielleicht geschah das schon vorher, das mit der Luft. Vielleicht war da aber auch nie genug Luft drin. In dieser Ehe meine ich. Er hat eine andere und die beiden lassen sich scheiden. Kurzer Satz mit viel Potenzial für Tränen und Herzschmerz.

A propos Herzschmerz. Irgendwie kommt der nicht so richtig rüber. Vielleicht bin ich nicht in Stimmung dafür. Aber das ganze Buch wirkt kühl und sachlich. Manchmal distanziert. Kann auch sein, dass ich so meine Schwierigkeiten damit habe, dass Gina Projektmanagerin ist, die ihren Kunden dabei hilft, ein erstandenes Haus zu renovieren und sich durch den bürokratischen Dschungel der Behörden zu kämpfen. Das interessiert mich so wenig, dass ich oft nur flüchtig drüber lese.

Es geht dann auch viel um ein ganz bestimmtes Haus – das Magistrate’s House -, mit dem sie schon immer geliebäugelt hat, als sie und Stuart noch verheiratet waren. Jetzt hat ein Ehepaar das Haus gekauft und sie engagiert, sich mit Denkmalschutz und Bauarbeitern herumzuschlagen. Amanda und Nick wirken als Figuren zu gegensätzlich, als dass ich ihnen sonderlich viel abgewinnen könnte. Amanda ist die kühle, gestresste Was-auch-immer, die kaum jemals vor Ort ist. Nick ist der träumerische Fotograf und Künstler, der ähnlichen Gedanken wie Gina nachhängt. Wen wundert es auch, dass über die Zeit zarte Zuneigung sprießt?

Aber was rede ich da lange herum! Gina hatte Krebs, hat ihn überstanden, hat mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Haus gekauft und renoviert.  Danach hatte ihr Mann eine Andere und es kam zur Scheidung. Gina rappelt sich wieder auf, entrümpelt ihr Leben, macht sich selbständig und lernt dabei einen Kunden näher kennen und lieben.  Und danach? Kommen die beiden zusammen? Ist alles gut? Friede, Freude, Eierkuchen?

Ja, ich bin frustriert. Die handelnden Figuren wirken flach und nicht wirklich echt. Die Geschichte ist vorhersehbar. Auch das Ende bringt keine große Überraschung, auch wenn es kein wirkliches Ende ist. Man würde ja doch gerne wissen: Was ist jetzt wirklich? Am Ende klappe ich das Buch zu und bin unzufrieden. Was ist jetzt mit dem kleinen großen Glück?

Was mir trotzdem gefallen hat, das war die Geschichte über Kit. Kit war Ginas erste große Liebe. Immer, wenn von Kit die Rede ist, dann hat man das Gefühl, das hätte gepasst. (Ich habe den Verdacht, dass diese Liebesgeschichte die Idee zu dem Buch gewesen sein könnte, um das alles Andere herum aufgebaut wurde.) Leider hat diese Liebe nicht bestanden. Gut fand ich diese Liste mit den 100 Dingen. Die geht Gina nämlich sehr rigoros und ernsthaft an. Mit irgendetwas muss man schließlich anfangen. Nur verliert sich das im Laufe der Zeit etwas. Was ich nicht schlecht finde. Ich weiß nicht, ob man sein Leben auf 100 Dinge beschränken kann. Und welche Dinge meint man damit? Rein materielle? Ist es nicht besser, Erinnerungen zu sammeln? Ein Foto, das einem zum Beispiel einen wundervollen Tag wieder in Erinnerung bringt? Und dann war da noch die Sache mit Buzz. Buzz ist ein verwahrloster Greyhound, den sie durch unglückliche Umstände bekommt. Sie hat ihn als Pfand einbehalten, während ein Interessent eine Runde mit ihrem Rad dreht, das sie verkaufen will. Der kommt nie wieder. Buzz aber bleibt, obwohl sie das am Anfang gar nicht will.

Es gab also durchaus auch Lichtblicke in diesem Buch. Und es hat mich dann offenbar doch genug gefesselt, dass ich es zu Ende gelesen habe. Die Grundbotschaft, dass man besser sein Glück im Jetzt sucht und sein Leben nicht zu sehr an Dinge hängt, findet man vielleicht irgendwo zwischen Renovierungsarbeiten, Rückblenden und Gegenständen in Umzugskartons. In Erinnerung wird mir dieses Buch trotzdem nicht lange bleiben, fürchte ich, dazu war mir die Handlung zu flach und vorhersehbar.


Mit diesem Buch habe ich mich im Rahmen der Buch-Weltreise nach England begeben, wobei mir nicht ganz klar geworden ist, wo denn dieses Longhampton nun genau sein soll. Jedenfalls kommt es im Buch wie ein Provinznest rüber, fern vom schillernden London. Weiter geht es jetzt übrigens nach Frankreich. Ich bin schon einmal kurz über den Ärmelkanal gehüpft und bereits mitten drin im Geschehen …

3 Gedanken zu “BUCHweltreise #5 – Irgendwo in der Provinz Englands?

  1. Schade, dass dir das Buchreiseziel England nicht so gut gefallen hat. Da heißt es schnell die Koffer packen und sich auf Frankreich freuen. Ich wünsche dir eine gute Weiterreise :)
    LG Yvonne

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  2. Pingback: BUCHweltreisebericht Mai 2017 | umgeBUCHt

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