Schreibkick: Vom Märchen der guten Vorsätze.

Es war einmal ein Jüngling, der liebte ein Mädchen aus dem Nachbarort. Die beiden sprachen vom Heiraten, aber der Vater des Mädchens war noch unsicher, ob der Jüngling ein geeigneter Ehemann wäre.

Das verunsicherte den jungen Mann so sehr, dass er seinen Antrag immer wieder hinausschob und dem Mädchen jedesmal versprach, im nächsten Jahr wäre es dann ganz gewiss ein guter Zeitpunkt. Langsam, so langsam, dass er es selbst gar nicht merkte, verstrickte er sich immer mehr in diese Versprechungen. So verging ein Jahr und dann ein zweites und schließlich neigte sich ein drittes dem Ende zu und das Mädchen wurde immer unglücklicher. Als der letzte Tag jenes Jahres anbrach, sprach er wieder zum Mädchen, im  nächsten Jahr wolle er sie auf jeden Fall heiraten. Zuvor wolle er nur noch ein paar Kilo abnehmen, damit er auch nur ja eine gute Figur im Hochzeitsanzug machte. Und er wollte das Haus fertig renovieren, es sei ja nicht mehr gar so viel. Damit er keine schlechte Nachrede hätte und ihr ein schönes Heim bieten könne. Außerdem würden sie öfter einmal ein freies Wochenende nutzen und irgendwohin fahren …

Das Mädchen winkte müde ab. Wie oft hatte sie das schon gehört. Sie war sich längst nicht mehr sicher, ob sie jemals zusammenkämen.

An jenem Abend war alles ein wenig magisch und ein seltsames Knistern lag in der Luft. Als der Jüngling in seinem Zimmer vor dem Spiegel stand und noch einmal sein Äußeres betrachtete, bevor er zu seiner Liebsten wollte, um mit ihr zu feiern, da wurde die Luft im Zimmer auf einmal dick. Die Oberfläche des Spiegels franste aus und plötzlich sah er weit hinein und in einen Abgrund hinunter, aus dem es rot leuchtete. Aus der Ferne kam ein Mann daher gehumpelt, mit grober Kleidung und einem grimmigen Gesicht, dass der junge Mann zurückzuckte. So einem wollte er lieber nicht begegnen, auch wenn er sah, dass er humpelte und wahrscheinlich keine Gefahr darstellte. Doch als der Mann näher kam, merkte der Jüngling, dass er einen Pferdefuß statt eines Menschenfußes hatte und jetzt überkam ihn die Angst. Er wollte seiner Wahrnehmung nicht trauen. Er glaubte nicht an den Teufel. Aber niemand sonst konnte das sein.

Der Alte winkte ihm zu und bedeutete ihm, er möge in den Spiegel treten und ihm helfen. Hier lägen so viele Steine herum, die wolle er einsammeln für eine breite Straße, die er bauen wolle. Der Jüngling zögerte, stieg aber schließlich doch durch den Spiegel. Er konnte gar nicht anders, so sehr er sich sträubte. Also beugte er sich nach unten, um dem Kerl beim Einsammeln zu helfen, vielleicht wachte er ja dann schneller aus diesem seltsamen Traum auf. Als er so Stein um Stein auf die Schubkarre schlichtete, da fiel ihm plötzlich auf, dass auf jedem Stein Worte standen. Und je mehr er sich bemühte, sie zu lesen, umso mehr griff das Grauen nach ihm. Denn er erkannte, dass auf jedem der Pflastersteine eines seiner Versprechen stand, dass er seiner Liebsten gemacht hatte. Von denen er aber noch nicht eines verwirklicht hatte. Der Kerl sah ihm zu und begann zu lachen. Ob er denn nicht wisse, dass er der Teufel sei. Er pflastere den Weg zur Hölle, damit sie noch leichter zu erreichen sei. Und am besten ginge das mit den Vorsätzen der Leute. Sie hätten so viele Wünsche und merkten dabei nicht, wie sie sich diese Vorsätze um den Hals hängten und sie Jahr um Jahr mitschleppten.

Der Jüngling wollte wissen, ob manche Leute denn ihre Vorsätze auch umsetzten oder ob manchmal wieder Pflastersteine im Weg zur Hölle verschwänden.

Ach ja, seufzte der Teufel, das käme durchaus vor und es sei lästig, die Löcher wieder zu füllen, aber viel Arbeit bedeute es trotzdem nicht. Die Menschen wären nicht besonders konsequent.

Während der Teufel ihm also dies und noch mehr erklärte, er schien an diesem letzten Tag im Jahr sehr gesprächig, vielleicht war es auch die Vorfreude auf die vielen neuen Vorsätze, mit denen er den Weg zur Hölle weiter pflastern würde können, entdeckte der Jüngling einen ganz besonderen Stein. Er war nicht eckig wie all die anderen, sondern hatte abgerundete Kanten. Fast konnte man ein Herz darin sehen.

Schon wollte er den Teufel fragen, ob er jenen Stein mitnehmen dürfe, aber dann sah er, wie sehr dieser mit seiner Schubkarre beschäftigt war, dass er den Stein einfach einsteckte. Einer würde ihm wohl nicht fehlen.

Der Teufel drehte sich zu ihm um und starrte ihm in die Augen: „Denkst du tatsächlich, ich merke nicht, dass du den Stein eingesteckt hast? Aber nun gut, behalte ihn. Schon morgen, aber spätestens in einem Monat wird er wieder hier liegen und dann werde ich ihn in meine Straße setzen und dort fest betonieren, so fest, dass du ihn nicht mehr herausbekommst. Nie mehr. Seit drei Jahren schon liegt er immer wieder irgendwo hier herum. Und jetzt geh!“

Damit scheuchte er ihn weg und der Jüngling stand auf einmal wieder vor seinem Spiegel. Nichts deutete darauf hin, wo er gerade gewesen war. Nur sein Blick huschte unruhig durchs Zimmer und in seinem vollen dunklen Haar zeigte sich eine dünne weiße Strähne. Er schüttelte den Kopf und wollte das Entsetzen loswerden. Doch dann stutzte er. Er griff in die Jackentasche und zog einen Stein heraus. Die Schrift war verschwunden, nur die Herzform geblieben.

Rasch machte er sich auf den Weg zu seinem Mädchen. Noch bevor die große Silvesterfeier begann, sank er vor ihr in die Knie und bat sie, endlich und diesmal wirklich seine Frau zu werden. Das Mädchen willigte glücklich ein, auch wenn sie etwas verwundert war. Ring hatte er keinen. Nur einen Herzstein, auf dem einmal gestanden hatte, im nächsten Jahr würde er sie gewiss heiraten.

Und tatsächlich heirateten die beiden im nächsten Jahr. Manchmal war der junge Mann versucht, fürs jeweils neue Jahr Vorsätze zu fassen, ließ es dann aber doch lieber bleiben. Dann dachte er an diese seltsame Nacht zurück, als er dem Teufel beim Steine einsammeln geholfen hatte. Das hatte ihm die Augen geöffnet. Der Teufel sah diesen einen Stein nie wieder, aber das machte ihm nicht viel aus. Es waren noch immer genug andere Steine da.


Der Schreibkick ist ein Projekt von Sabi Lianne.

Mitgemacht haben:
Nicole
Rina
Sabi

Das Thema für den 01. Februar lautet: Imaginäre Freunde

14 Gedanken zu “Schreibkick: Vom Märchen der guten Vorsätze.

  1. Pingback: Das Märchen der guten Vorsätze – Die Waldträumerin

  2. Pingback: Schreibkicks – Märchen der guten Vorsätze – Geschichtszauberei

  3. Pingback: Frohes neues Jahr/Schreibkick #62: Das Märchen der guten Vorsätze – Sabi-Writing-Whatever.com

  4. Hi Veronika,

    eine wunderschöne Geschichte. In dem Fall hat sich der Teufel wohl verzockt und dem Mann noch was Gutes getan, indem er ihm sein Werk gezeigt hat :-) Eine sehr schöne Geschichte!

    Liebe Grüße,
    Sabi

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..